Kletterfieber in den Dolomiten

Kletterfieber in den Dolomiten

Von den Grundlagen bis zur ersten Mehrseillänge

Von: Julia Andre

Hoch hinaus soll es diese Woche für mich gehen! Nach meinen ersten Erfahrungen im Hallen-Klettern und Bouldern will ich endlich an den richtigen Fels. Berge zu Fuß zu erklimmen, gehört seit Kindertagen zu meinem Leben. Jedoch blieben bislang alle Gipfel außen vor, auf die weder Steige noch Wanderwege führen – die man sich „erklettern“ muss. In einem Grundkurs Fels möchte ich nun alle Basics lernen und meine Kletterleidenschaft befeuern. Und was bietet hierfür eine schönere Kulisse als das Herz der Dolomiten? Umrahmt von den beeindruckenden Felsnadeln der Cadin-Spitzen und vor dem großartigen Panorama der weithin bekannten Drei Zinnen liegt die Fonda-Savio-Hütte – eine beschauliches Rifugium auf 2.367 m.

Die Fonda-Savio-Hütte in den Dolomiten

Ausgangspunkt für den Aufstieg zur Hütte ist ein Café am tiefblauen Misurina-See zwischen Toblach und Cortina d`Ampezzo. Bergführer Robert begrüßt uns fünf Teilnehmer*innen und stimmt uns auf den Hüttenaufstieg ein. Etwa eine Stunde lang geht es über einen schmalen Bergpfad entlang Bäumen und Büschen bis über die Baumgrenze bis zur weithin sichtbaren Unterkunft mit den hellblauen Fenstern. Es bleibt Zeit und Puste, sich kennenzulernen – unser Gepäck übernimmt die Materialseilbahn. Oben angekommen werden wir von Hüttenwirt Florian herzlich Willkommen geheißen. Er hat die Hütte vor vielen Jahren von seinen Eltern übernommen und ist bereits seit Kindertagen hier oben verwurzelt. Unser Grüppchen bekommt ein Sechser-Zimmer mit gemütlichen Stockbetten.

Beim gemeinsamen Abendessen besprechen wir unsere Vorkenntnisse und unsere Erwartungen an den Kurs. Manch einer hat schon ein bisschen Erfahrung im Klettern und möchte seine Kenntnisse auffrischen und erweitern. Manch anderer ist noch ganz neu in diesem Thema und möchte zuerst einmal schnuppern, ob das was für ihn/ sie ist. Das Wochenziel wird uns auch gleich vor Augen gelegt: wer sich gut fühlt und fleißig übt, kann vermutlich zum Abschluss der Woche den imposanten Hüttenfelsen in einer ersten eigenen Mehrseillängen-Route bezwingen. Ein lohnendes Ziel und stets in Sichtweite!

Die Klettergruppe bei der Trittschulung in den Dolomiten

Los geht es am nächsten Morgen erst einmal ganz gemächlich: Trittschulung ist angesagt! Robert erklärt uns wie wichtig es ist, den Kontakt zum Fels zunächst in der Waagrechten zu üben bevor es in die Senkrechte geht. Trittsicherheit ist eine der wichtigsten Grundlagen für fast alle alpinen Spielarten – nicht nur fürs Bergsteigen! Trittsicherheit bedeutet dabei vor allem das Vertrauen in die eigenen Füße und deren Positionierung. Das lässt sich am besten über ganz bewusstes Gehen gewinnen. Auf verschiedenen Untergründen setzen wir also bewusst einen Fuß vor den anderen. Wir fühlen die Unterschiede zwischen lockerem Geröll, groben Steinen, Wiese oder glatten Felsplatten. Ein erster Wechsel von unseren Bergschuhen in unsere Kletterschuhe gibt uns wieder ein neues Gefühl. Die Gummispitzen ermöglichen uns selbst auf abschüssigen Felsplatten guten Halt – allein die Reibung hält uns, wenn wir die richtige Menge Druck und den richtigen Winkel aufbringen.

Bevor anschließend auch unsere Hände das erste Mal ins Spiel kommen macht uns Robert darauf aufmerksam, dass bei einer guten Klettertechnik Füße und Beine den Großteil der Arbeit ausmachen. Die Hände dienen primär dem Halt und der Positionierung. An den zahlreichen Felsblöcken rund um die Hütte üben wir fortan das soeben Gelernte. Die Füße geben vor – die Hände unterstützen.

Üben macht hungrig und die selbst gemachten Eintöpfe und Suppen aus der Fonda-Savio-Küche kommen uns sehr gelegen. Bei strahlendem Sonnenschein stärken wir uns auf der Hütten-Terrasse. Nachmittags wird es theoretischer: hinter der Hütte bekommt jeder seine Kletterausrüstung – und die Infos dazu. Klettergurt, Express-Schlingen, Schraub-Karabiner, Schnapp-Karabiner, unterschiedlich lange Bandschlingen, Sicherungsgerät und Seil. Robert erklärt uns anschaulich die einzelnen Funktionen und Eigenschaften des Materials. Anschließend üben wir die ersten Knoten – Sackstich, Ankerstich und Achter. Wir sind gespannt auf die Praxis am nächsten Tag!

Der zweite Tag beginnt mit einer kleinen Morgen-Gymnastik im Freien. Die Kulisse könnte traumhafter nicht sein! Wir haben fast 360°-Blick auf die umliegenden Gipfel. Perfekt auch für die folgende Wetterkunde und ein paar spannende Facts zum Dolomit-Gestein dieser Region. Dann geht’s zu den ersten richtigen Kletter-Übungen. Rund um die Fonda-Savio-Hütte gibt es zahlreiche Übungs-Felsen mit vielen gut abgesicherten Routen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Ideal für den Einstieg! Robert richtet uns ein paar Seile ein, erklärt das Sichern und es kann losgehen mit den ersten Kraxeleien am Top-Rope. Der Fels bietet schöne Griffe und Tritte – die Struktur unterscheidet sich deutlich von der in einer Halle.

Der Bergführer erklärt die Ausrüstung

Fleißig klettern und sichern wir abwechselnd und versuchen dabei nicht zu vergessen, dass die Beine die Hauptarbeit machen sollen! Alle, die noch nie gesichert haben, sichern zunächst zusammen mit Robert und später in Zweier-Pärchen. Es wird geübt, geübt, geübt…
Am Abend verwöhnt uns Florian wieder mit drei Gängen – erstaunlich, welche kulinarischen Kostbarkeiten in der wirklich kleinen Hütten-Küche gezaubert werden! Zum Abschluss des Tages beschäftigen wir uns noch ein wenig mit Kletter-Theorie und schauen uns Tourenbeschreibungen und Topographien in diversen Kletterführern an.

Der nächste Tag bringt uns noch einen Schritt weiter: statt am Top-Rope üben wir nun den Vorstieg. Es ist doch nochmal ein anderes Gefühl, wenn das Seil nicht mehr von oben kommt und man bei einem Sturz ein gutes Stückchen fallen würde. Wieder wird uns bewusst, wie wichtig das Vertrauen in die eigenen Füße und den eigenen Stand sind. Zur Belohnung lernen wir am Nachmittag das aktive Abseilen und lassen uns vergnügt über verschiedene Abseilpisten den Felsen hinab. Manch einer hat dabei eine richtige Gaudi! Zufrieden mit unserer Tages-Leistung dürfen wir abends den Bilderbuch-Sonnenuntergang bei einem Glas Wein von der Hütte aus genießen.

Unterwegs auf dem Klettersteig

Damit wir die Gipfel nicht nur von unten bewundern müssen und dem Thema Fels in all seinen Facetten gerecht werden, steht zur Wochenmitte ein Klettersteig auf dem Programm. Robert gibt jedem von uns ein Klettersteigset aus und an einem kleinen seilversicherten Wegstück unweit der Hütte üben wir das Einhängen und Sichern mit den beiden Klettersteig-Karabinern. Das klappt zügig und wunderbar und wir brechen auf in Richtung des Einstiegs zum Klettersteig „Merlone“, der zum Gipfel der Cima Cadin führt.

Für ein paar aus unserer Gruppe ist es der erste Klettersteig und der sorgt mit dem ein oder anderen Tiefblick für ein besonderes Erlebnis! Das wird nur noch getoppt durch das Wahnsinns-Panorama auf dem Gipfel. Wir sehen weit bis hinter die Drei Zinnen und im fernen Nordwesten sogar die schneebedeckten Gipfel des Zillertals. Im Westen liegen der Monte Cristallo und die Tofana und weiter südlich hinter Cortina erstrecken sich die Türme der Cinque Torri. Wir könnten ewig hier oben verweilen und das Gipfelfoto in sämtlichen Variationen lassen wir uns natürlich auch nicht nehmen!

Der vorletzte Tag soll uns nun von der einfachen Seillänge zu den Mehrseillängen bringen. Dafür lernen wir erst einmal den Standplatzbau und die wichtigsten Seilkommandos: „Stand“, „Seil ein“, „Nachkommen“, etc. Wieder und immer wieder üben wir den Seilschaftsablauf. Erst im "Trockenen", dann im waagrechten Gelände und schließlich im Schwierigkeitsgrad 1. Zum Abschluss des Tages lernen wir noch das Sichern an natürlichen Fixpunkten wie Sanduhren oder Felsköpfeln. Praktisch, wie die Natur uns auch beim Klettern unterstützen kann. Am Ende des Tages fühlen wir uns gewappnet für die erste Mehrseillänge.

Klettergipfel erreicht

Der krönende Abschluss des Kurses: unsere erste Mehrseillängen-Route auf den Hüttenfelsen! Insgesamt sechs Seillängen im Schwierigkeitsgrad 3-4 sollen es werden. Wir bilden Zweier-Seilschaften und machen uns nacheinander auf den Weg nach oben. Alles in der vergangenen Woche Erlernte bringen wir nun zur Anwendung und arbeiten uns nach oben. Alles klappt wie am Schnürchen und mächtig stolz posieren wir schließlich für unser Gipfel-Foto! Wir klettern eine andere Route hinab und freuen uns riesig auf einen Kaiserschmarrn in der Sonne! Den haben wir uns redlich verdient.

Eine tolle Woche mit viel Lehrreichem, Wissenswertem und zahlreichen Eindrücken liegt hinter uns. Robert hat uns mit viel Einsatz, Einfühlungsvermögen und anschaulichen Beispielen eine wunderbare Basis für das Felsklettern gegeben. Die ersten eigenen Klettertouren werden sicher zeitnah geplant! Die gemütliche Fonda-Savio-Hütte mit ihrer einzigartigen Lage und der tollen Kulinarik waren das i-Tüpfelchen – Gastfreundschaft par excellence vor einer Traum-Kulisse. Vielen Dank für dieses tolle Erlebnis!

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