Wandern auf dem Lykischen Weg
Wohin soll die Reise gehen, wenn Ende November noch eine Woche Urlaub übrig ist?
Eine Woche mit nicht zu anspruchsvollen Wanderungen verbunden mit Meer, Kultur, angenehmen Temperaturen und relativ kurzer Flugzeit? Schnell hatte ich mich entschieden. Der Lykische Weg ist ein über 500 km verlaufender Fernwanderweg von Fetiye nach Antalya, größtenteils entlang der Küste des antiken Lykiens, vorbei an zahlreichen antiken Stätten und Stränden, von dem wir in einer Woche einen kleinen Teil entdecken werden.
Nach einem angenehmen Flug und kurzem Transfer bin ich rasch im Hotel Kosa in Antalya angekommen, direkt an der Altstadt gelegen. Hier erwartet unser Reiseleiter Süleymann Dingil bereits die Gruppe zum ersten Spaziergang durch Antalya. Süleymann (Jahrgang 1937!) bestach vom ersten Moment an durch sein unglaubliches Wissen, verbunden mit seiner Liebe zu Antalya, der Türkei und die Kultur und Natur des Landes.
Am nächsten Tag startet unser Trekking nach einstündiger Fahrt mit einer kurzen Wanderung, die bereits mit dem überzeugte, was ich mir vorgestellt hatte. Highlight war Phaselis, die antike Stadt am Fuße des Taurusgebirges mit seinen 3 natürlichen Häfen. Wir schlendern durch die große Anlage, immer mit tollem Blick auf die türkisfarbene Bucht. Im Amphitheater mit Blick auf die Olymposberge packt Süleymannn seine Flöte aus, um für den Hauptgott Dionysos ein zauberhaftes Ständchen zu geben.
Unser Etappenziel ist Ürgüz, das wir nach 3-stündiger Fahrt erreichen - idyllisch und abgelegen, unser Zuhause für die nächsten 3 Tage. Zunächst etwas „erschrocken“ über die Einfachheit der Zimmer und die spartanische Einrichtung des Restaurants, machen doch die gute Lage und die Gastfreundschaft der beiden Brüder, die das Hotel führen, den Aufenthalt überaus angenehm. Die Zivilisation scheint weit entfernt, die Tage sind ausgefüllt mit abwechslungsreichen Wanderungen, Besichtigung der Ausgrabungen, denen Süleyman durch seine lebhaft erzählten Geschichten beinahe Leben einhaucht, Bootsfahrten, einem Sprung ins Meer und einfachen aber überraschend schmackhaften Mahlzeiten. Nicht zu vergessen der täglich Türkisch-Sprachkurs.
Das nächste Etappenziel ist der Ort Karaöz, den wir nach 2-stündiger Fahrt erreichen. Ab jetzt wird „richtig“ gewandert! Kurzweilig, abwechslungsreich, manchmal rutschig und steil windet sich der Pfad über eine kleine Passhöhe hinunter zum Kap Gelidonia. Der heutige Weg lässt unseren Süleyman zur Höchstform auflaufen. Zwischen Methusalem-Bäumen, in verborgenen Höhlen, hinter Felsen und in sumpfigen Lichtungen lauert in seinen Schilderungen immer wieder Pan, ein lustiger Satyr, Freund und Anhänger des Gottes Dionysos. Weintrinkend und als Ziege getarnt taucht er plötzlich und unerwartet auf, schreit, gestikuliert und verbreitet „Panik“ unter Mensch und Tier.
Achtsam und bedächtig setzen wir unsere Wanderung fort, vermuten wir doch auch den frechen Satyr immer in unserer Nähe. Erst die Busfahrt nah Adrasan zum nächsten Übernachtungsort holt uns wieder in die Realität zurück. Und die ist grandios: eine einsame Kiesbucht mit kristallklarem Wasser, das kleine Hotel direkt am Strand – doch ein Traum?
Olympos, die antike Stadt ist unser nächstes Ziel. Die Ruinen selbst sind wenig greifbar, faszinieren mehr durch Süleymans Geschichten und die lange, abwechslungsreiche Wanderung dorthin. Durch Orangen- und Granatapfelhaine, dann durch ein Labyrinth aus Pinienwäldern und Sandsteinschluchten erreichen wir auf einer kleinen Passhöhe die angekündigte, einfach gezimmerte Schäferhütte, die mit einer besonderen Spezialität aufwartet. Granatapfelsaft – frisch aus der handbetriebenen Saftpresse, ein Glas 1 Euro – begeisternd, wohltuend und (leider) nur ganz frisch ein Hochgenuss.
Die Trekkingtage neigen sich dem Ende zu, nicht ohne vorher noch das ewige Feuer von Cirali zu erwandern und ein letztes Mal Suleymans anschaulich erklärter und begeistert vorgebrachter Mythologie über den Kampf gegen das feuerspeiende Untier Chimära zu lauschen.
Ein letzter Blick über den Golf von Cirali und schon geht’s zurück nach Antalya, wo wir nach einsamen Wandertagen am Fuße es Taurusgebirges in das lebhafte Getümmel der Altstadt werfen. Aber auch das hat seinen Reiz, das quirlige Leben, Handeln und Feilschen im Bazar, die glitzernden Auslagen der Schmuckgeschäfte, die Düfte der orientalischen Gewürze und Früchte bei deren Anblick das Wasser im Munde zusammenläuft.
Es gäbe noch viel mehr zu sehen, aber die Heimreise ist unaufschiebbar. Ich bin sicher ich komme wieder – dann im Frühjahr, wenn in den Taurusbergen die Obstgärten, Ginsterbüsche und Orchideen blühen.