Zu Fuß über die Alpen
Reisebericht von unserer Kollegin Marie über ihre Erlebnisse auf dem E5 von Oberstdorf nach Meran mit den Young Summits.
Eine Alpenüberquerung zu Fuß – davon träumen wohl viele Bergfans. Der Planungsaufwand und die möglicherweise fehlenden Wegbegleiter*innen führen jedoch oft dazu, dass dieser Traum nicht in die Realität umgesetzt wird. Kollegin Marie hat sich diesen Traum nun erfüllt und sich mit einer unserer Young Summits - Gruppen auf den Weg von Oberstdorf nach Meran gemacht. Im folgenden Blogbeitrag teilt sie mit uns ihre Erfahrungen und besonderen Erlebnisse.
Unser Abenteuer beginnt am Bahnhof in Oberstdorf. Dort treffen wir sechs Young Summit Teilnehmer*innen (junge Leute zwischen 18 und 29 Jahren) unseren Bergführer Thomas. Nach einer ersten kurzen Busfahrt geht es auch direkt los. Unsere Rucksäcke sind recht voll und auch etwas schwerer gepackt als ideal, was unseren Guide immer wieder amüsiert. Aber wir sechs Mädels sind hoch motiviert. Nach den ersten zwei Stunden Fußmarsch erreichen wir die höchstgelegene Mini-Brauerei Europas, die Enzianhütte. Natürlich haben wir das hauseigene Weizen probiert und für gut befunden.
Weiter geht es zum Rappensee, wo wir unser erstes Bad vor malerischer Bergkulisse nehmen. Auf den letzten Metern zu unserer ersten Unterkunft begegnen wir noch einigen Murmeltieren und kommen dann in der gemütlichen Rappenseehütte an. Wir beziehen unser Mehrbettzimmer im Nebenhaus und werden nach dem Abendessen von einem fantastischen Farbenspiel des Sonnenuntergangs verzaubert.
Am nächsten Morgen gehen wir noch einmal am Rappensee vorbei und genießen einen Moment der Ruhe, hören den Insekten auf der Wiese und den Kuhglocken in der Ferne zu - Krafttanken kann man in der Bergwelt besonders gut. Voller Elan starten wir in diesen langen Wandertag. Wir meistern erfolgreich den Mutzentobel und stärken uns in Holzgau mit einem Stück Kuchen. Wir werden diese Woche noch viel Kuchen verkosten, da unser Bergführer das besonders gerne mag. Frisch gestärkt holt uns unser Transfer ab und fährt uns nach Boden, von wo wir zur Hanauer Hütte aufsteigen. Der Aufstieg ist recht steil und fordert schon einiges an Energie – belohnt wird man oben wieder mit einem traumhaften Ausblick über das Tal. Heute glühen die Berge in besonders kräftigem Rot, was alle Mühen des Tages vergessen lässt.
Der heutige Tag startet mit einem Aufstieg zur östlichen Dremelscharte. Unser Bergführer unterhält uns bei kurzen Pausen mit interessanten Informationen rund um die Flora und Fauna der Region. Jeden Tag lernen wir mindestens eine weitere Alpenpflanze kennen. Der letzte Aufstieg führt uns durch ein Geröllfeld und eine seilversicherte „Kraxel-Passage“, die uns alle gleichermaßen fordert. Auf der anderen Seite des Gebirgskamms liegt der Steinsee. Dieser ist recht kalt aber natürlich durchschwimmen wir diesen wieder. Weiter geht es zur Steinseehütte, einem unserer Summit Club Hüttenstandpunkte für andere Reisen. Nach einer kurzen Stärkung folgt der Abstieg zur Alfutzalm. Weiter geht es mit dem Shuttle nach Zams, wo wir im Hotel Gemse unterkommen. Hier treffen wir das erste Mal auf andere Gruppen, die den E5 auf der klassischen Route gehen und in viel größeren Gruppen unterwegs sind als wir.
Nach einem vorzüglichen Frühstück brechen wir früh auf, um vor den anderen Wandergruppen an der Venet Bergbahn die erste Gondel zu erwischen. Auf dem Krahberg beginnt unsere heutige Wanderung. Es geht zunächst lange bergab, wobei wir auch mal ein Hochmoor durchqueren müssen. Nach einem Kuchenstopp auf der Larcheralm werden wir von unserem Fahrer in Winkl aufgesammelt und nach Mittelberg im Pitztal gebracht. Zu Fuß geht es weiter zur Gletscherstube, von wo aus wir unsere großen Rucksäcke in die Materialseilbahn verladen können. Mit leichtem Gepäck geht es nun den versicherten Steig am Wasserfall hinauf bis wir endlich die Braunschweiger Hütte erreichen. Nun sind wir in der Gletscherwelt angekommen. Der Anblick der großen Eismassen ist beeindruckend und strahlt auch spürbar Kälte aus. Trotzdem herrscht auf der Hütte Wassermangel - ein großes Thema in diesen Bergsommer bei vielen Hütten.
Von Vent aus kann man mit leichtem Gepäck zur Martin-Busch-Hütte aufsteigen, da die Rucksäcke hierhin mit dem Materialtransport gefahren werden können. Eine willkommene Erleichterung am Morgen. Auf einer langen Fahrstraße geht es immer weiter hinter in das Tal, das nach und nach den Blick auf den Gipfel des Similauns frei gibt. Das große Ziel vor Augen geht es zur Similaunhütte in immer kargere Landschaft. Am Nachmittag bekam jede*r seine Ausrüstung für die Hochtour ausgeteilt und es wurden erste Schritte mit den Steigeisen gemacht. Auf der Similaunhütte herrscht ein ganz anderes Umfeld. Die Wandergruppen übernachten hier kaum und so sind größtenteils Bergsteiger auf Hochtouren unterwegs. Die Hütte liegt genau auf der Grenze von Österreich und Italien und im Frühjahr und Herbst werden hier große Schafherden über den Pass geführt, was eine alte Tradition der Südtiroler Bauern ist und als Transhumanz bezeichnet wird. Wirklich beeindruckende Bilder davon sind auf der Hütte zu betrachten. Heut geht es früher ins Bett, da wir für die Gipfelbesteigung früh aufstehen müssen.
Noch vor Sonnenaufgang geht es aus dem Bett und auf zum Gletscher. Das Eis knirscht unter den Steigeisen und wir nähern uns Schritt für Schritt der Sonne und auch den ersten Gletscherspalten. Unser Bergführer Thomas führt uns sicher über alle Spaltenzonen. Das letzte Stück müssen wir auch mal Hand an den Fels legen und so leichte Kletterei meistern, bis wir alle sechs Teilnehmerinnen mit unserem Bergführer auf dem Gipfel des Similaun auf 3.606m stehen. Für die meisten ist dies ihre erste Hochtour und wir sind alle unglaublich stolz es als gesamtes Team hier her geschafft zu haben! Das Wetter ist traumhaft und es sind außer uns nur drei Menschen am Gipfel. Wir genießen das fantastische Bergpanorama und machen natürlich einige Gipfelfotos, bevor wir den Rückweg wieder antreten. Am Mittag steigen wir durch das Tisental in das Schnalstal nach Südtirol ab. Von eisigen Temperaturen auf dem Gipfel zu warmem Hochsommer am Nachmittag – was für ein Kontrast. Vom Tisehof werden wir abgeholt und nach Meran zu unserm Hotel gefahren. Wir lassen den Tag in den Straßen von Meran ausklingen und genießen ein italienisches Eis oder einen Aperol Spritz, während wir das geschäftige Treiben der Menschen in der Stadt beobachten.
Am 8. Tag geht es nach einem Fußmarsch zum Busbahnhof leider schon zurück nach Oberstdorf. Die Landschaft zieht an uns vorbei - kaum zu glauben, dass wir die ganze Strecke zu Fuß gelaufen sind. Die Alpenüberquerung war unglaublich abwechslungsreich, fordernd aber auch sehr beeindruckend. Wir hatten sehr viel Glück mit dem Wetter und sind alle sehr stolz heimgekehrt. Es war ein einzigartiges Erlebnis und uns alle erinnert ein Armband weiterhin an diese tolle Young Summit Tour mit dem Summit Club.