Skiabenteuer zwischen Gletschern und Fjorden
Berg- & Skiführer Andreas Sippel berichtet von seinen Erlebnissen auf Skitour in Norwegen
Skitouren nördlich des Polarkreises sind seit einigen Jahren und besonders im Frühjahr ein absoluter Trend. Die abgelegenen Skigebiete locken mit verschneiten Landschaften, faszinierenden Nordlichtern und wenig Trubel bei schier endlosen Abfahrten. Doch lohnt sich die lange Anreise nach Skandinavien für eine Skitour? Wir haben mit dem Staatlich geprüften Berg- und Skiführer Andreas Sippel gesprochen, der regelmäßig mit unseren Gruppen in Norwegen unterwegs ist.
Im April 2019 war ich zum ersten Mal mit Skiern auf den Lofoten und Lyngenalpen unterwegs. Angereist bin ich damals mit dem Hurtigboot und meine erste Tour erfolgte bei klirrender Kälte und am zweiten Tag kam dann der Wärmeeinbruch mit 40 Litern Regen… das hatte also wenig mit meinen Vorstellungen von einer Skitour in Norwegen gemeinsam. Inzwischen war ich sechs Mal zwischen Lofoten, Senja, Tromso und den Lyngenalpen bei unterschiedlichsten Schnee- und Wetterbedingungen unterwegs und ich behaupte, diese Unwägbarkeiten sind Teil des Spiels in Nordnorwegen.
Heute reisen wir von Deutschland per Flugzeug über Oslo Harstad/Narvik (EVE) oder Tromso (TOS) an. Der Anflug von Tromso über das eisstarrende Fjell lässt ahnen, dass wir hier im ehrlichen Winter angekommen sind.
Die Ausgangsorte in Svolvaer/ Lofoten oder Koppangen auf der Lyngen-Halbinsel erreichen wir per gemietetem Minibus. Die Strassenverhältnisse sind meist durchwachsen, denn in Norwegen wird nur grundgeräumt und nicht gesalzen. Auf den festgefahrenen Pisten wechseln sich also Eis mit Wasserlöchern und Schneeverwehungen ab und dazu ist die Sicht oft schlecht. Trotz Spike-Bereifung unseres Kleinbusses ist hier Umsicht geboten und entsprechende Reisezeiten einzurechnen, denn man schafft selten mehr als 60 km/h.
In Svolvaer und Koppangen sind wir in Fischerhütten, sogenannten „Rorbuer“, einquartiert, die zu gemütlichen Appartements mit eigener Küche, Wohnzimmer und Sauna umgebaut wurden. Hüttenwirt Alf Fagerborg serviert gerne deftige nordische Hausmannskost. Deftig heißt viel Fleisch (Rentier, Elch und Wal) und Fisch (vorwiegend der Winter-Kabeljau „Skrei“ oder Heilbutt, selten Lachs) in sahnigen Soßen, dazu werden Kartoffeln und traditionell Steckrübenmuss gereicht – Salat und Gemüsegerichte sind nicht des Nordmanns erste Wahl, für Vegetarier gestalten sich die Reisen daher oft anspruchsvoll.
In Svolvaer untergebracht haben wir die Möglichkeit zum Selberkochen oder in den internationalen Restaurants des Städtchens zu Abend zu essen.
Wenn man im Internet nach „Skitouren Norwegen“ sucht stößt man ziemlich direkt auf die Lyngen-Alpen. Das Skitourengebiet nördlich des 69. Breitengrades ist schneesicher, nicht zu steil und große Hänge direkt über dem tiefblauen Meer versprechen grandiose Abfahrten. Wir starten meist direkt von Meereshöhe und ist erst einmal bei ca. 300 Metern ü.NN der allgegenwärtige Birken-Erlenwald überwunden, tun sich meist großartige Möglichkeiten auf: Von sanften Gletscherhängen bis hin zu steilen Couloirs mit 45° ist hier Vieles möglich.
Die Gipfel sind mit 1200 bis 1400 Metern nicht wahnsinnig hoch, wollen aber dennoch erarbeitet werden, warten doch regelmäßig steile, harte Spitzkehren auf uns Skitourengeher*innen. Ist der Gipfel dann erreicht, werden wir oft mit unverstelltem Weitblick Richtung Nordpolarmeer belohnt. Und trotz der Frequentierung an den Modebergen Fastdalstinden, Giillavarri, Kavringstinden oder Storgalten findet sich mit Kreativität und Ortkenntnis oft ein unverspurter Hang für die Abfahrt.
Als Ausklang nach der Tour sind gerne die Bar am Fährhafen oder das mitgebrachte Bier und Grillpolse in den zahlreichen Grillhütten die erste Wahl.
Die drei Farben Schwarz, Weiß und Blau fassen das Flair einer Skitour in Norwegen perfekt zusammen: Nordlichter am ansonsten pech schwarzen Nachthimmel, fluffiger Schnee und steile Abfahrten mit Blick auf die glitzernden Fjorde machen das Skitouren-Erlebnis in Nordnorwegen so einzigartig.
Die Lyngen-Alpen und Lofoten sind nur für versierte Skitourengeher geeignet, die 300-350 Höhenmeter je Stunde im Aufstieg im steilen Gelände gut schaffen und auch in der Abfahrt mit ihren „Freetourer-Ski“ zügig vorankommen.
Als Gebiet sind die Lofoten mein persönlicher Favorit, denn neben den schier unendlichen Skimöglichkeiten und der abwechslungsreichen Küche hat die Umgebung von Svolvaer auch kulturhisorisch einiges zu bieten, sodass eine Skitourenreise hierher zum Gesamterlebnis wird.